Dele Wulf
Adele-Sophie Wulf-Ihlo
Künstlername: Dele Wulf
Freischaffende Künstlerin,
lebt in Kreuzlingen in der Schweiz.
Arbeiten
Malerei - Aquarell
- für Kunstverlage (Fa. Buff, Fa. Artoz)
- überwiegend Aquarelle
- Vertrieb/Verkauf weltweit
Ausstellungen und Verkäufe z. B.
- Geldinstitute
- Ausstellung im Landratsamt Konstanz
- Behörden
- Museen
- Sammler
- Versicherungen
Designarbeiten für
- Bernrain Kreuzlingen
- Eduscho Bremen (jetzt Tchibo)
- Cover für Medical congress in Abu Dhabi
Verschiedenes
- Mitherausgeberin der "Konstanz-Kreuzlinger Kunstmappe"
- Erwähnt in "Who is who" 2002
- Einladung zu Maler-Symposien
- Ausstellung im Landratsamt Konstanz
- Aquarell für die Webseite von Siedenburg (basierend auf dem Grundriss von Siedenburg)
- Schriftstellerische Tätigkeit (im Druck)
- Gedichte
- Kurzgeschichten (Mein Freund Johannes, Das Sofa)
- Kinderbücher (nur Bilder)
Mein Freund Johannes
Er ist nicht mehr ganz jung, aber noch lange nicht alt. Er ist ein perfekter Skifahrer, Tiefschnee und Alpin. Bergsteigen ist seine Leidenschaft.
Er ist ein wirklicher Freund. Bin ich krank, bringt er mir Zwieback, fragt nach meinem Befinden und gibt mir gute Ratschläge. Die ich meistens nicht befolge. Gesund bin ich aber trotzdem immer geworden. Manchmal lädt er mich zum Essen in ein Restaurant ein, und weil ich mit meiner Galerie nur Verluste erwirtschafte, bezahlt er die Rechnung. Ich benehme mich anständig, ziehe schon mal mein blaues Gewand an, das gefällt ihm gut, und mache ihm auch sonst keine Schande. Fährt er im Urlaub in die weite Welt, schreibt er mir Karten, aus jedem Land, und aus jedem Land bringt er mir auch etwas mit. Durfte ich mir etwas wünschen, wünschte ich mir meistens einen Stein. Einen Stein, der einfach so am Weg liegt. Der Stein aus Ecuador ist etwas Besonderes. Er ist bemalt von einem echten Künstler. Weil er aussieht wie ein Wunschstein, und sicher auch einer ist, habe ich von Johannes verlangt, er müsse ihn 'weihen'. Er sollte sagen: "Dieser Stein muss Dele beschützen bis in alle Ewigkeit." Er hat sich aber strikt geweigert. Erst nach dem dritten Glas Rotwein und, nachdem ich gedroht hatte, mittwochs in den Hungerstreik zu treten, hat er so etwas Ähnliches wie "beschützen und Ewigkeit" gemurmelt. Darum, so glaube ich, ist die Wirkung noch nicht so richtig eingetreten, weil er nur gemurmelt und nicht laut und deutlich gesprochen hat. Das Allerbeste aber ist, einmal in der Woche, und zwar mittwochs kocht Johannes für mich. Damit ich, so sagt er, wenigstens einmal in der Woche etwas Gesundes zu essen bekomme. Weil ich Norddeutsche bin und gern Kartoffeln esse, hat sich mein Freund ein Kartoffelkochbuch gekauft. Die Gerichte werden anspruchsvoller, von Woche zu Woche, und ich – sprachloser vor so viel Können. Nur mit den Kartoffelpuffern, die ich doch so gern esse, hat er Probleme. –
Vor einigen Wochen, mittwochs, ich fahre dann nach Geschäftsschluss direkt zu ihm, hatte er Kartoffelgratin zubereitet. Der Tisch war schon gedeckt, wie immer, Servietten rot, wie immer, es gab Rotwein dazu, auch wie immer, und dieser Rotwein schmeckte vorzüglich, schon immer. Nach dem Essen zeigt Johannes mir seine Erwerbung vom letzten Flohmarkt. Einen Flachmann. Also eine Flasche aus Edelmetall, die, wie der Name schon sagt, flach ist, sogar mit Wappen, und noch so gut wie neu im Geschenkkarton. "Was willst Du damit?" – "Wenn wir bei einer Bergtour den Gipfel erklommen haben, dann kriegt jeder aus diesem Flachmann einen Schnaps, sozusagen als Belohnung. Verstehst Du das?" Ja, das verstehe ich, obwohl ich Norddeutsche bin und Norddeutsche mit den Gepflogenheiten der Bergsteiger eigentlich nicht so vertraut sind, das kann ich durchaus verstehen. Der Deckel des Flachmanns ist gleichzeitig der Trinkbecher. "Wie viele Becher voll passen in den Flachmann?" Johannes weiß es nicht. "Warum heißt es Flachmann und nicht Flachfrau?" Weiß er auch nicht. Aber Johannes hat viele Bücher, alte, uralte und ganz neue, aber immer kluge. "Wollen wir nachlesen?" "Nein, heute nicht. Jetzt möchte ich nur wissen, wie viele Becher in diesen Flachmann passen." Neben dem runden Esstisch steht ein alter Bauernschrank, und dieser alte Bauernschrank dient zur Aufbewahrung von Obstbränden, Likören, Obstlern, stark und schwach, Whisky aus Schottland und anderswo, Cognac, Wodka aus Russland und anderswo. Wir entschließen uns, die Maßnahme, im Sinne des Wortes, mit Williams vorzunehmen. "Hättest Du das gedacht, schon sieben Becher und immer noch nicht voll." "Nein, hätte ich nicht gedacht." Es passen genau zwölf Trinkbecher Williams in einen Flachmann. So, jetzt wissen wir es. "Willst Du probieren? Ich habe ihn auf der letzten Velotour in Überlingen bei einer Bäuerin gekauft." Klar will ich. Johannes meint, man kann den Schnaps, eigentlich eine Beleidigung für diesen guten Williams, nicht in die Flasche zurück schütten. Also trinken wir noch 'mal den einen oder anderen. "Du, den musst Du auch noch versuchen, den habe ich aus Wallhausen mitgebracht." "Ja, auch nicht schlecht." Rotwein und Williams und Was-weiß-ich sind bei mir auf fruchtbaren Boden gefallen. Als ich mich bücke, um die Serviette aufzuheben, sehe ich rot, nein, das war die Serviette, ich sehe bunt. "Jetzt ist es aber genug, jetzt hörst Du sofort auf zu trinken." Das war mein Gewissen. Laut sage ich: "Johannes, ich gehe heim." Die Schuhe ziehe ich vorsichtshalber auf dem Boden sitzend an. Johannes setzt sich dazu und schaut interessiert. Uns gegenseitig stützend, stehen wir auf. Ich stoße mit dem Kopf an die Garderobe, Johannes kichert albern, und ich muss mir die Hand vor den Mund halten, um nicht laut zu lachen, weil: in einem ordentlichen Schweizer Mehrfamilienhaus lacht man nicht laut, nicht um dieser Zeit, nicht um zwei Uhr in der Nacht. Johannes: "Soll ich Dich heimfahren?" Laut sage ich, und ich gebe mir große Mühe, dass ich nicht stottere, lalle oder Schlimmeres –: "Nein, das ist nicht notwendig, es ist ja nicht weit." Mein Freund begleitet mich nach unten. Ich nehme mein Fahrrad, Johannes sagt: "Das Rücklicht brennt." Was oft nicht der Fall ist. Dann höre ich nichts mehr und denke: Jetzt ist er in die Ligusterhecke gefallen. Da schlägt die Haustüre zu. Mein Freund ist in Sicherheit. Bis zur Hauptstraße schiebe ich das Fahrrad noch, dann fühle ich mich einigermaßen sicher. Das Aufsteigen macht mir Mühe. Aber einmal in Fahrt, ist alles kein Problem mehr, im Gegenteil, der frische Fahrtwind tut mir gut und macht meinen Kopf klar. Denke ich jedenfalls. Den Kreisverkehr bewältige ich mühelos, verpasse dann aber die richtige Ausfahrt, rase beim Italiener durch den Garten, dann über die Schafweide, bei dem Parkcafé haarscharf an den Blumenbeeten vorbei, komme dann aber, Gottseidank, wieder auf den rechten Weg. Dann muss etwas passiert sein, das in meiner Erinnerung nicht vorkommt. Ich finde mich auf dem Gehweg sitzend wieder. Erster Gedanke: Ich bin davongekommen. Zweiter Gedanke: wie peinlich, hoffentlich hat mich niemand gesehen. In einer Kleinstadt wie K. weiß jeder von jedem alles, und ich wollte doch so gern ein anständiger Mensch sein. Und dann dies. Daheim angekommen, nehme ich vorbeugend zwei Aspirin, falle halbtot ins Bett, schwöre noch, nie wieder so viel Alkohol trinken zu wollen. Am Morgen überhöre ich den Wecker und irgendwie bin ich zittrig. Der Kaffee schmeckt nicht und die rechte Gesichtshälfte fühlt sich merkwürdig an. Im Badezimmer, im Spiegel: Wer ist das? Oh nein, das bin nicht ich, das ist eine Halluzination. Es ist keine Halluzination, ich bin es wirklich. Um Himmelswillen, wie sehe ich aus? Das rechte Auge umrandet von einem Tiefblau, Dunkelrot, mit einem Stich ins Altrosa gehenden, faustgroßen Bluterguss. Nie habe ich so ein "blaues Auge" gesehen, nicht bei einem Boxer und auch sonst nicht. Kinder werden schreiend vor mir davon rennen, Erwachsene werden augenzwinkernd hinter meinem Rücken tuscheln. Wo ist meine Sonnenbrille? Ich muss doch ins Geschäft. Brille bringt überhaupt nichts. Was fällt mir noch ein? Natürlich, Make up, zuerst flüssig. Reicht nicht. Puder? Schon besser. Noch eine Schicht. Aus der Distanz von drei Metern sieht man kaum noch etwas. Jetzt noch die Sonnenbrille, fast nichts mehr zu sehen. Ins Geschäft komme ich zu spät. Meine Testperson soll Frau Rudolf sein. "Guten Morgen, Frau Rudolf, ist die Post schon da?" Vorsichtig bleibe ich drei Schritte zurück. Sie hat nichts bemerkt. Ich gehe einen Schritt näher und nehme die Sonnenbrille ab. Entsetzt schlägt sie die Hände vors Gesicht. "Um Himmelswillen, wie ist das gekommen?" Das will ich ihr nun wirklich nicht erklären. Ich setze die Brille wieder auf, sie wird für längere Zeit meine ständige Begleitung sein. Sie war es lange vier Wochen. Der Nie-wieder-Schwur hielt auch nicht viel länger.
Am späten Nachmittag rufe ich meinen Freund an: "Johannes, wie geht es Dir?" Er sagt "hervorragend" und legt auf. Und das, das war gelogen.
Dele WulfDas Sofa
Herbstmesse Frankfurt – Jutta und ich. Wir wollen einkaufen. Ich für die Galerie, Jutta für Haus, Garten, Freunde und für die Seele. Auf dieser Herbstmesse, in Halle 4 sehe ich es, das Sofa. Genau so ein Sofa wollte ich schon immer. Immer. Aber nie hatte ich genügend Geld dafür. Aber jetzt, auf der Messe zum Einkaufspreis, jetzt kann ich es mir leisten. Ich will es aber noch überdenken. – Halle 5 – meine Gedanken kreisen um das Sofa. Ach, wie gut würde es aussehen an der Wand, gegenüber dem großen Fenster, gemütlich und einladend, zum Ausruhen. Meine Freunde würden mich beneiden um dieses wunderschöne, eierschalfarbene Sofa. – Halle 6 – wie würde ich es genießen, abends heimzukommen und mich genüsslich in mein eierschalfarbenes Sofa fallen zu lassen. Es wurde Nachmittag und Zeit, zu einem Entschluss zu kommen. "Jutta, soll ich? / Ja, so ein Sofa wolltest du schon lange. / Also gut, ich kaufe es." Noch einmal gemessen, Zweimeterzwanzig, das passt, würde ich meinen. Bestellung unterschrieben, ich bin Besitzerin eines Zweimeterzwanzig breiten eierschalfarbenen Sofas, das ich schon lange zu besitzen begehrte. In 14 Tagen soll es geliefert werden. Wieder in Konstanz, fast hatte ich es schon vergessen, als nach 14 Tagen der Lieferwagen einer Spedition vor der Galerie hält. Dann fällt es mir ein, das Sofa. Frage: "Galerie Pagelun? / Ja. / Wir haben eine Lieferung von der Firma Varia, München." Ja, das ist mein Sofa. Die hintere Ladeklappe des Lieferwagens wird heruntergefahren, ein Gabelstapler geholt, mit zwei dicken Holzbohlen verlängert. Mir wird unheimlich. Aus dem Bauch des Lieferwagens wird ein Karton heraus geschoben, so groß, wie ich noch nie einen Karton in meinem Leben gesehen habe. Das kann unmöglich mein Zweimeterzwanzig-Sofa sein. Sofort sage ich "Das gehört mir nicht." Der Spediteur sieht mich an, streng: "Sind Sie Frau Wulf, Galerie Pagelun? / Ja, bin ich. / Dann gehört dieses ... – er zeigt schadenfroh auf den Karton – Ihnen. Wohin damit?" Ja, um Himmelswillen, wohin damit? Darüber hatte ich mir überhaupt keine Gedanken gemacht. Zum Glück habe ich noch den Schlüssel vom Nebenhaus, das im Moment leer steht. Ich hole ihn, schließe die Türe auf. Zu zweit schieben, schleppen, stoßen, tragen sie den unheimlichen Karton ins Haus. Ich gebe ihnen ein Trinkgeld, nicht zu knapp, damit sie endlich aufhören zu grinsen, unterschreibe den Lieferschein und bin sie endlich los! – Misstrauisch umkreise ich den Karton einige Male, dann schließe ich die Türe ab und gehe in die Galerie zurück. Ich will das alles vergessen. Niemals ist das mein Sofa, es ist ein schlechter Traum.
Es ist kein schlechter Traum. Als ich am nächsten Morgen die Türe vom Nebenhaus vorsichtig öffne, steht der Riesenkarton da, wie tags zuvor. Es hilft nichts, ich muss mich der Tatsache stellen, Besitzerin eines Riesensofas zu sein und nicht eines zierlichen Zweimeterzwanzig-Sofas. Ich hole einen Zollstock und kann es nicht glauben: Dreimeterzehn exakt! Ach, könnte ich doch jetzt in Ohnmacht fallen oder so ähnlich. Es könnte auch eine Fee vorbei kommen und nach meinen Wünschen fragen. Ich falle nicht in Ohnmacht. Und eine Fee kann ich auch nicht entdecken. Ich sitze mit mir zu Gericht: das hast du jetzt davon, unüberlegt drauf los kaufen, kein vernünftiger Mensch kauft ein Möbelstück, ohne genau zu messen, das geschieht Dir recht. Ach, es stimmt alles. Vernunft ist nicht meine absolute Stärke. Aber was habe ich übersehen, wo falsch gemessen? Egal, jetzt muss eine Lösung her. Ach, du lieber Himmel, wie geht das mit der Verzollung? Ich wohne doch in der Schweiz. Zwar gleich hinter der Grenze, aber in der Schweiz, und dazwischen der Zoll. Einen Pullover kann man vielleicht einmal heimlich in der Handtasche über den Zoll –, und so. Aber doch kein Sofa. Was habe ich mir da angetan? Jetzt unternehme ich einen letzten Versuch, davon zu kommen. Es könnte doch sein, dass in diesem Karton gar nicht mein Sofa verpackt ist, sondern ein Schrank oder was weiß ich, für Herrn Meier oder Herrn Schmidt. Aus den Lieferpapieren geht der Inhalt des Kartons nicht hervor. Ja, genau so ist es, die Anschrift ist falsch, der Karton gehört mir gar nicht. Alles ist ein Versehen. Ich prüfe den Lieferschein noch einmal. Oh nein, es ist kein Versehen, auf der untersten Zeile klein, aber deutlich Sofa – eierschalfarben. Einen Tag lasse ich verstreichen. Am nächsten Tag nehme ich all meinen Mut zusammen, hole den Schlüssel und gehe zum Nebenhaus. Ich schließe auf. Vielleicht ist es schwarz. Es ist bestimmt schwarz. "Lieber Gott, lass es schwarz sein.", bete ich. Dann könnte ich in München bei Firma Varia anrufen und sagen: "Holen Sie ja Ihr Sofa wieder ab, ich habe ein eierschalfarbenes bestellt und kein schwarzes. Und überhaupt ist es zu groß, ich habe ein Zweimeterzwanzig-Sofa bestellt und überhaupt. Überhaupt, ich will keines mehr." Vorsichtig entferne ich eine Ecke des Kartons. Es ist nicht schwarz, es ist eierschalfarben. Nachdem ich den übrigen Karton auch noch entfernt habe, steht es da, das Sofa, eierschalfarben, wie ich es mir immer, immer, immer gewünscht habe, nur viel, viel, viel größer. Ich telefoniere mit einigen Transportunternehmen, um mich über Preise zu informieren und bestelle für den nächsten Morgen einen Lieferwagen mit zwei Möbelpackern, nein besser drei, extra früh, wenn die Straße noch leer ist und die Nachbarn noch nicht zu den Fenstern herausschauen. Der Wagen kommt, nur zwei Packer, aber ich traue ihnen zu, dass sie das Sofa tragen können. Und ich will helfen. Ich schließe die Türe auf. Beide kommen mit, sehen das Sofa. Der eine sagt "Joi, joi, joi", der andere sagt nichts, sieht mich aber an, als zweifelte er an meinem Verstand. Erst hebt der eine das Sofa versuchsweise ein bisschen an, dann der andere. Jetzt sagen sie gar nichts mehr. Ich verspreche zu helfen. Sie bringen das Auto in die beste Position und öffnen die Ladeklappe. Vorsichtig schaue ich die Straße entlang. Leer. Vorsichtig schaue ich nach oben. Herr M. lehnt sich weit aus dem Fenster und scheint sehr interessiert. Spätestens heute Mittag würden alle Anwohner wissen, dass ich am frühen Morgen aus dem Nebenhaus ein Riesensofa habe fortbringen lassen. Wie peinlich. Was würde ich alles für Fragen beantworten müssen. Ein Packer gibt jetzt das Kommando "Eins, zwei, drei". Wir heben gleichzeitig an. Der Kopf des Packers läuft rot an, der andere stöhnt, und ich denke, mein Rücken zerbricht in zwei Teile. Irgendwie bugsieren wir es in den Lieferwagen. Ein Stück weit ragt das eierschalfarbene Sofa aus dem Lieferwagen heraus, aber wenigstens ist es auf dem Weg ins eigentliche Domizil. Wir verabreden, dass ich zum Zoll vorausfahre und die Verzollung vornehmen werde. Dort werden wir uns dann treffen. Ich nehme die Rechnung, Grundlage aller Verzollungen, und fahre los. Die Packer müssen sich eine Weile ausruhen.
Am Zoll erkläre ich den Zollbeamten, dass ich vorab ein Sofa verzollen will und der Lieferwagen mit dem Sofa gleich eintreffen werde. Das sei eigentlich nicht üblich und die Ware, er meint mein Sofa, müsse auch in Augenschein genommen werden. Aber er errechnet schon mal den Zoll, ich bezahle und hoffe, dass er dem Fahrer einen Wink gibt, und der kann dann ohne In-Augenscheinnahme weiter fahren. Aber nein, der Beamte weicht mir nicht von der Seite. Das Auto kommt mit dem heraus ragenden Sofa. Der Fahrer muss die Türe gänzlich öffnen. Der Beamte fordert von mir nochmals die Rechnung. Erst sieht er mich an, dann das Sofa und dann den Preis auf der Rechnung. Sofort sage ich, abschätzig auf das Sofa zeigend "Ausstellungsstück von der Messe, hat schon einige Macken." Er gibt mir die Rechnung zurück und sagt nichts. Das ist überstanden. Die Packer bekommen die Adresse und den Auftrag, das Sofa im dritten Stock unseres Hauses in das Treppenhaus zu stellen. Tags zuvor hatte ich den Platz begutachtet und auch grob ausgemessen, das sollte passen, und der Lift ist riesig. Gott sei Dank, jetzt ist das Schlimmste vorbei.
Ich fahre zurück in die Galerie, koche mir Kaffee und will eigentlich nur noch meine Ruhe haben. Nach etwa einer halben Stunde stehen plötzlich die beiden Möbelpacker in der Türe. Sie sehen aus, als hätten sie eine Schlacht geschlagen. Die Haare hängen ihnen ins Gesicht, die Hemden schweißnass mit einem irren Blick "Wir haben alles, aber auch alles versucht, der Lift ist zu klein, die Treppe zu eng, das Sofa steht im Hauseingang." Noch bevor ich den Mund aufmachen konnte, waren sie auf und davon. Erst nach einigen Minuten konnte ich wieder denken. Zuerst fiel mir eine Säge ein, dann eine Sprengladung, dann ein Möbellift. Die Idee mit dem Möbellift gefällt mir. Sofort rufe ich Möbeltransportunternehmen an. Die haben aber nicht auf meinen Anruf gewartet und keine Termine frei. Bei dem dritten Unternehmen versuche ich es gar nicht erst auf die normale Tour. Ich erzähle sofort die Geschichte von dem Horrorsofa und kündige, falls mir nicht geholfen würde, eine Sprengung an. Ich muss Mitleid erregt haben. Wenn ich mit der Mittagszeit am nächsten Tag einverstanden sei, dann könnten sie zwei Experten entbehren, mit Lift, logisch. Ja, eine halbe Stunde reicht dreimal. Also am nächsten Tag. Abends traue ich mich kaum nach Haus. Wenn ich später heimfahre, sitzen die übrigen Hausbewohner bestimmt vor dem Fernseher, hatte ich mir überlegt, und ich muss keine Fragen beantworten.
Sie sitzen nicht vor dem Fernseher, sie stehen im Hauseingang um mein Sofa herum. "Das kann hier aber nicht lange stehen bleiben. Ist das ein Diplomatensofa? Wozu brauchen Sie so ein großes Sofa? Wie viel hat es gekostet? Wo haben Sie es gekauft?" Ich verspreche, es am nächsten Tag zu entfernen, schicke ein Gebet zum Himmel und bitte um Unterstützung. Etwas anderes fällt mir nicht ein.
Am nächsten Tag, ich bin schon lange vor Mittag da, räume ich meinen Schreibtisch – er steht vor dem großen Fenster – weg, rolle den Teppich auf, lege Trinkgeld bereit und warte dann vor dem Haus. Zwölf Uhr, um die Ecke biegt ein kleines Auto. Nein, das kann es unmöglich sein. Aber auf dem Auto steht Möbellift. Also doch, aber wie kann das funktionieren? Mein Sofa ist fast so groß wie das Auto. Offensichtlich hatte man mich falsch verstanden. Das Auto hält, zwei Männer steigen aus, richtig, sie hätten den Auftrag, ein Sofa in den dritten Stock zu hieven. Na gut, denke ich, sie werden ihr Handwerk hoffentlich verstehen. Ich zeige ihnen das Möbelstück. Oh Wunder, mein Sofa erschreckt sie kein bisschen, sie werfen mir auch keine bösen Blicke zu. Sie besprechen sich kurz und suchen einen geeigneten Standplatz. Der Lift wird ausgefahren, auseinander geklappt, das Sofa hinauf gehoben, ausbalanciert. Ich staune noch ungläubig, da schwebt es schon zum Fenster herein. Die beiden Experten – es sind wirklich Experten, man kann es nicht anders sagen, und noch freundlich dazu – kommen in die Wohnung, heben das eierschalfarbene Sofa vom Lift, rücken es an den richtigen Platz, und – das war's. Die beiden Experten erhalten Trinkgeld, wohlverdient, ein erleichtertes Lächeln von mir, sie bedanken sich und sind fort. Eine halbe Stunde hat es gedauert, nein, etwas länger. Das bedeutet, ich muss eine volle Stunden bezahlen. Im Hinterkopf rechne ich grob nach, was das Sofa mit Möbellift, Zoll, zwei Mal Transport, Trinkgeld – habe ich 'was vergessen? – kosten wird. Sofort höre ich damit auf, ich will es nicht wissen, nicht an diesem Tag, an dem Tag, an dem das eierschalfarbene Sofa Einzug in mein Leben hielt. Jetzt steht es schon eine Weile in meinem Wohnzimmer. Es hat sich gut eingelebt und scheint zu schrumpfen, von Tag zu Tag, vielleicht auf Zweimeterzwanzig.
Dele Wulf
Bilder-Galerie
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Presse
- Text von Prof. Dr. Pack über Konstanz Kreuzlinger Kunstmappe, Ausstellung im Landratsamt
- Text zum Stadtposter Friedrichshafen von Monika Bugs
Kontakt
Dele Wulf
Finkernweg 1d
8280 Kreuzlingen
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dele.wulf@gmx.de